Der bessere Renditeweg – Lebensversicherung widersprechen

Artikel Klartext 1/2 2020″

Von Hilmar Pickartz

Viele Kunden sind zum Teil entsetzt, wenn sie jetzt zum Jahresanfang die Abrechnung ihrer Lebensversicherung mit dem aktuellen Rückkaufswert erhalten. Bei nicht wenigen Versicherungen ist dieser Wert gerade einmal der Gegenwert der bisher geleisteten Einzahlungen oder bei nicht zu alten Versicherungen sogar noch weniger. So stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise für viele die Frage, was ist zu tun, die Versicherung weiter zu bezahlen oder zu kündigen? Durch diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs kann sich nunmehr ein dritter Weg als der wirtschaftlich attraktivste Weg herausstellen, nämlich der Widerspruch gegen den damaligen Abschluss der Lebensversicherung.

Viele Versicherungen haben nämlich jahrelang den Fehler gemacht, bei Abschluss der Versicherungen nicht oder nicht nach den gesetzlichen Vorgaben den Versicherungsnehmer über sein Recht zum Widerspruch richtig zu belehren. Ist dieser Fehler begangen worden, beginnt die Widerspruchsfrist überhaupt nicht zu laufen und der Versicherte kann auch noch viele Jahre nach diesem Abschluss widersprechen. Dies gilt sogar zum Teil auch noch bei gekündigten und schon ausbezahlten Lebensversicherungen. Der wirtschaftliche Vorteil eines solchen Widerspruchs liegt vor allem darin, dass dadurch der Versicherungsvertrag als von Anfang an nicht existent angesehen wird und deshalb der Versicherte nicht nur alle eingezahlten Beträge rückfordern kann, sondern auch noch eventuell weitere Nutzungen, die die Gesellschaft eventuell in dieser Versicherungslaufzeit durch gute Anlagen gewonnen hat (z.B. Zinsen), herausgeben muss. Um die Voraussetzungen für die Durchsetzbarkeit eines solchen Schritts zu schaffen, sollte der Versicherte folgende Punkte überprüfen:

  1. Versicherungen haben natürlich auf die diversen höchstrichterlichen Entscheidungen reagiert und ihre Widerspruchsbelehrung den Rechtsprechungserfordernissen in den letzten Jahren angepasst. Man darf davon ausgehen, dass abgeschlossene Versicherungen ab 2014 als wesentlich rechtssicherer gelten. Es wird sich also wohl lohnen, eine eingehende Überprüfung von Lebensversicherungen, die zumindest bis einschließlich 2014 abgeschlossen worden sind, vorzunehmen. Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof 2017 die Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen mit Vertragsabschluss zwischen dem 29.07.1994 und dem 31.12.2007 zugelassen. Der Versicherungsnehmer hat dafür ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht bei falschen Widerrufsbelehrungen. Branchenkenner sind der Meinung, dass ca. 60 Prozent aller Verträge, die in diesem Zeitraum abgeschlossen wurden, davon betroffen sind. Der Fehler der Versicherungen lag darin, dass dem Versicherten bei Vertragsabschluss nicht alle Vertragsunterlagen übergeben worden waren und die Versicherungsbedingungen oft erst später mit dem Versicherungsschein zugeschickt wurden. Nach der Rechtsprechung wird das Übermitteln von unvollständigen Unterlagen oder das Fehlen eines ausreichen den Hinweises auf das gesetzlich notwendige Widerspruchsrecht und die Widerspruchsfrist als fehlerhafte Belehrung angesehen, so dass deshalb die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen hat. Da viele Versicherungen einige Zeit gebraucht haben, um sich auf diese Rechtsprechungen ab 2015 einzustellen, lohnt sich daher die Überprüfung von Verträgen für den Zeitraum auch von 2008 bis 2014 weiterhin.
  2. Um beurteilen zu können, ob ein solcher Widerspruch jetzt noch Aussicht auf Erfolg hat, ist die Einholung professionellen Rats durch auf dieses Thema spezialisierte Rechtsanwälte wohl unverzichtbar. Sollte der Versicherte eine Rechtsschutzversicherung haben, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der damaligen Lebensversicherung bestand, erteilt diese bei Vorhan- densein eines Familienrechtsschutzes üblicherweise Deckungszusage.
  3. Wenn keine Widerspruchsbelehrung oder eine falsche bzw. unvollständige Belehrung erfolgte, gilt gemäß der Rechtsprechung des BGH auch heute noch ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht. Ein erfolgreicher Widerspruch führt zur Rückabwicklung, d. h., Versicherte erhalten die eingezahlten Beträge zurück und zusätzlich auch noch die damals geltende wesentlich höhere Verzinsung. Bei Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen lohnt sich wegen der zumeist geringen Beträge eine solche Vorgehensweise eher nicht. Dagegen gelten die vom BGH aufgestellten Regeln gemäß dem Urteil vom 12.9.2018 genauso für fondsgebundene Lebensversicherungen, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden ist. Bei zahlreichen bisher noch nachträglich eingelegten Widersprüchen konnten positive Ergebnisse erreicht werden, so dass sich eine Befassung und Überprüfung solcher früherer Versicherungsabschlüsse oft lohnen dürfte.

Lebensversicherung widersprechen

Rechtsanwalt Hilmar Pickartz, Mitglied des Bundes der Steuerzahler in Bayern, hat bereits in seinem in Heyne-Verlag erschienenen Buch „Die Immo Falle“ auf die Folgen einer falschen oder fehlenden Widerspruchsbelehrung bei Darlehensverträgen, für viele Darlehensnehmer erfolgreich hingewiesen. In „Klartext“ informiert er aktuell über fast in gleicher Weise gemachte Fehler. Diesmal von Versicherungsunternehmen bei Abschlüssen von Lebensversicherungen durch falsche oder fehlende Widerrufe.
Foto: Rechtsanwaltskanzlei Pickartz

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